Liebe Bürgerinnen und Bürger,

dass viele von Ihnen in Deutschland gestern nur in zweiter Linie über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments abgestimmt haben, sondern vielmehr ihre aktuelle Sicht auf unsere Bundespolitik auf dem Wahlzettel zu Protokoll gaben, das haben wir uns redlich verdient. Nun haben wir den Salat: Die SPD verlor fast zwölf Prozent und landete bei 15,8 Prozent. Ob die deutsche Sozialdemokratie bei der nächsten Kommunal-, Bundestags-, oder Europawahl überhaupt noch eine relevante politische Kraft sein wird, ist nicht mehr gesichert. Leider hat die SPD Pressekonferenz von Montag (Anm.: 27. Mai 2019) für mich lediglich weitere Ernüchterung gebracht.

Die Sätze von Andrea Nahles klangen in meinen Ohren wie noch einmal von der Bundestagswahl aufgewärmt – sie waren es wohl auch. Hinzu kommt, dass man Dinge, die man vor 14 Monaten als dringlich ganz oben auf die Agenda der „Erneuerung“ unserer Partei gesetzt hat, noch einmal in der Dringlichkeit nach oben setzen wolle. Wozu frage ich, damit sie für weitere 14 Monate geflissentlich ignoriert werden können!? Ich höre aus dem Gesagten daher abermals ein persönlich entäuschendes „Weiter so!“ heraus.

Es fehlt meiner Meinung nach an jedweder Einsicht, ganz zu schweigen vom eigenen Veränderungswillen. Wenn wir als Sozialdemokraten wieder ernstgenommen werden wollen, dann müssen wir hier und jetzt und heute handeln, nicht in einer Woche, einem Monat, oder gar einem viertel Jahr! Der Scherbenhaufen vor dem wir heute stehen, und dies ist die einzige Äußerung von Andrea Nahles, der ich an diesem Punkt noch voll und ganz zustimmen kann, resultiert aus 15 Jahren Politik der SPD. Auch mir ist sehr bewusst, dass ein paar gute Gesetze und Reformen diese Politik nicht ungeschehen machen. Aber das verlorene Vertrauen gewinnt man auf diesem Wege auch nicht mehr zurück, geschweige denn kann man neues Vertrauen hierdurch aufbauen.

Wir als Sozialdemokraten haben das Stadium des Schönredens bereits viel zu weit hinter uns gelassen, ohne dass die Einsicht darüber bei den Verantwortlichen eingesetzt hat. Dass ein möglicher Wechsel an Partei- und Fraktionsspitze vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben werden soll(te), kann ich als Sozialdemokrat in der SPD Langenfeld daher alles andere als Gut heißen. Es ist schlichtweg ein Fehler. Andrea Nahles und Olaf Scholz haben für mich inzwischen mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie dieser Partei nicht helfen können, oder wollen, wenn es darum geht den Weg zurück zu unseren Wurzeln zu finden.

Das Gute an der jetzigen Situation ist, dass wir wissen, wie schwer sie ist.

Olaf Scholz

Alleine ein solcher Satz von Sonntag Abend zeigt auf, wie fehlgeleitet die aktuelle Einstellung an der Bundesspitze ist. Man gibt sich mit der aktuellen Situation scheinbar ab, anstatt sie nach allen Kräften verändern zu wollen. So geht es nicht liebe Parteispitze! Für mich ist genau das schon Grund genug, die Partei neu aufzustellen. Wir brauchen an der Spitze der Partei, was es an der Basis vieler Orten bereits gibt: frische und neue Gesichter, die für eine Sozialdemokratie brennen, die wieder viele Menschen berührt und dort abholt wo sie stehen. Eine Sozialdemokratie für die diese Partei einst stand. Wir alle müssen wieder ohne Wenn und Aber eben dafür einstehen und kämpfen.

Auch das wird freilich nur funktionieren, wenn wir ein frisches und modernes Programm entwickeln, das uns nicht etwa zurückführt zu einer klassischen Volkspartei, sondern nach vorne bringt, als moderne Sozialpartei. Ein Programm für eine Grundrente, von der man im Alter leben kann, für faire Löhne in allen Berufen, für eine neue Sozialreform, bessere Bedingungen bei Mieten und ein faires Gesundheitssystem. Kurz: ein Programm das die Existenzängste der Bürger*innen wieder konsequent angeht und einen besseren Sozialstaat formt. Und diese Zukunft liegt auch nicht in einer Vorsitzenden, die ihre Veranwortung zwar übernehmen will, über die mir die Wähler*innen auf der Straße in den vergangenen Wochen jedoch permanent sagen:

So lange Ihr die Nahles habt, seid Ihr unwählbar.

Wählerstimme

Wähler*innen verbinden Parteien nun einmal auch mit den handelnden Personen. Einen Änderungswillen wird uns niemand mehr ernsthaft abnehmen, solange nicht auch eine personelle Neuaufstellung damit einhergeht. So sehr die Diskussion um Köpfe manchen in unserer Partei anöden oder anwidern mag, so sehr ist es notwendig sie zu führen. Ich erwarte von denjenigen, die die Verantwortung aktuell noch tragen, dass sie die politische und menschliche Größe haben, den richtigen Weg zu erkennen und ihre Konsequenzen daraus zu ziehen! Und ich sage auch:

Die Zukunft einer Sozialdemokratischen Partei Deutschlands als Sozialpartei liegt vor uns, nicht hinter uns. Und schon gar nicht in dem antiquierten Konstrukt einer Volkspartei, deren Habitus wir nur allzu selbstverständlich auch weiterhin an den Tag legen! Lasst uns genau dafür kämpfen und den Bürger*innen eine Politik ohne leere Floskeln und doppelten Boden vermitteln.

In aller Deutlichkeit formuliert heißt dies: zurück zu gerechter und umfassender Sozialpolitik. Nicht morgen, nicht in einem Monat oder Jahr, sondern JETZT! Lasst uns gemeinsam neu anfangen. Denn nur ein Neuanfang wird funktionieren, während uns ein „Weiter so“ unweigerlich immer weiter von den Bürger*innen wegführen wird.