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Kategorie: Politik (Seite 1 von 8)

Meinung – Bürgergeld-Debatte: Politik der Täuschung statt ehrlicher Lösungen

Es ist eine der widerlichsten Formen von Populismus, die derzeit wieder aufblüht: Die Behauptung, Millionen Menschen im Bürgergeld wollten schlicht nicht arbeiten. Die CDU um Merz, Linnemann und Spahn instrumentalisiert dieses Narrativ – als moralische Kampfansage an die vermeintlich „Faulen“, tatsächlich aber als Ablenkungsmanöver vom eigenen Versagen und von den echten Herausforderungen auf unserem Arbeitsmarkt.

Die Fakten erzählen eine andere Geschichte.


Arbeitslosigkeit und Bürgergeld – die realen Zahlen

In Deutschland sind aktuell rund 2,9 bis 3,0 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Sie stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, bewerben sich aktiv und wollen arbeiten.

Parallel dazu beziehen etwa 5,3 bis 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. Von ihnen gelten rund 3,9 Millionen als erwerbsfähig. Doch nur etwa 1,7 bis 2,0 Millionen sind tatsächlich arbeitslos gemeldet. Der Rest befindet sich in Sprachkursen, Qualifizierungsmaßnahmen, betreut Kinder, pflegt Angehörige, ist gesundheitlich eingeschränkt – oder arbeitet bereits, muss aber wegen zu niedriger Einkommen aufstocken.

Die Behauptung, Bürgergeld sei gleichbedeutend mit „Arbeitsverweigerung“, ist schlicht falsch.


Geflüchtete im System

Besonders deutlich wird das beim Blick auf Geflüchtete. Rund 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine leben in Deutschland, davon über 500.000 im Bürgergeld-System. Ihre Erwerbsquote liegt bei etwa einem Drittel.

Dass nicht alle sofort arbeiten können, liegt nicht an fehlendem Willen. Es sind systemische Hürden:

  • Sprachbarrieren (ohne B1-Kurs kaum Jobchancen),
  • fehlende Anerkennung von Berufsabschlüssen,
  • nicht verfügbare Kita-Plätze.

Es ist also nicht Faulheit, sondern ein strukturelles Versagen, das Integration erschwert.


Was die Haushaltszahlen wirklich zeigen

Ein Blick in den Bundeshaushalt bringt zusätzliche Klarheit:

  • Bürgergeldzahlungen 2023: 47,102 Mrd. Euro
  • Bürgergeldzahlungen 2024: 46,923 Mrd. Euro
  • Bürgergeldzahlungen 2025: 46,901 Mrd. Euro

In diesen Beträgen sind die Leistungen für Geflüchtete bereits enthalten. Der Gesamtetat dieser Kostenstelle, also inklusive Verwaltungs- und Personalkosten der Bundesagentur für Arbeit, beläuft sich auf 58,2 Mrd. Euro.

Zum Vergleich: Allein die Kranken- und Pflegeversicherung summiert sich auf rund 735,6 Mrd. Euro.

Wer also nur die schlagzeilenträchtigen Einzelposten zitiert, verzerrt bewusst das Gesamtbild. Jeder kann sich davon selbst überzeugen – die Haushaltszahlen sind online einsehbar.

Noch wichtiger ist jedoch die Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP):

  • 2010 betrugen die Ausgaben für die damalige „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ noch 1,8 % des BIP.
  • 2024 liegt dieser Anteil nur noch bei 1,3 % des BIP.

Insgesamt sind die Sozialausgaben zwischen 2010 und 2024 von 5,8 % auf 4,1 % des BIP gesunken. Der Löwenanteil entfällt heute – wie damals – auf Gesundheit, Rente und Pflege.

Das bedeutet: Zuwanderung führt in der Mehrzahl der Fälle zur Arbeitsaufnahme, trägt langfristig zum System bei und stabilisiert es finanziell. Das Bürgergeld ist weder ein „Kosten-Tsunami“ noch ein „Anreiz zur Faulheit“ – es ist ein Instrument, das gezielt wirkt und in Relation zum Gesamtetat sogar an Gewicht verloren hat.


Der brutale Arbeitsmarkt-Rechenfehler

Zählt man zusammen – Arbeitslose, erwerbsfähige Bürgergeldempfänger und Geflüchtete mit Arbeitswillen – suchen 4,5 bis 5 Millionen Menschen nach einer Perspektive. Dem stehen rund 630.000 gemeldete Stellen bei der BA gegenüber, insgesamt maximal 1,1 bis 1,2 Millionen offene Jobs.

Das Ergebnis: Millionen Menschen bleiben chancenlos, selbst wenn sie arbeiten wollen. Und: Die meisten offenen Stellen sind Fachkraftpositionen – für die man Jahre an Ausbildung und Erfahrung benötigt. Sie lassen sich nicht durch Sanktionen besetzen.


Das CDU-Narrativ: Härter sanktionieren

Die CDU fordert dennoch schärfere Sanktionen. Friedrich Merz sprach sogar von „Sanktionen bis zur Nulllinie“. Gemeint sind die sogenannten „Totalverweigerer“. Doch deren Zahl liegt bei gerade einmal 16.000 Menschen – das entspricht 0,4 Prozent der erwerbsfähigen Bürgergeldbeziehenden.

Selbst wenn man alle morgen zwingen würde zu arbeiten: Weder wäre der Fachkräftemangel gelöst noch die Wirtschaft gerettet.


Die Lüge, die bleibt

Die bittere Wahrheit: Selbst wenn alle Geflüchteten sofort integriert wären, alle Bürgergeldbeziehenden uneingeschränkt arbeiten könnten – es bliebe ein massiver Überschuss an Menschen ohne Stelle.

Die CDU dreht den Spieß um: Nicht das System ist das Problem, sondern der Mensch. Nicht fehlende Stellen, sondern vermeintliche Faulheit. Nicht strukturelle Hürden, sondern eine angebliche „soziale Hängematte“.

Das ist keine Politik. Das ist bewusste Täuschung.


Der eigentliche Skandal

Die eigentliche Frage lautet: Warum funktioniert unser System so schlecht, dass Millionen arbeiten wollen – aber nicht dürfen?

Statt in Bildung, Ausbildung und Integration zu investieren, schiebt man Betroffenen den schwarzen Peter zu. Statt Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, ihre Fachkräfte selbst auszubilden, wird mit Stigmatisierungen Politik gemacht.

Wer Bürgergeldempfänger pauschal als faul bezeichnet, tritt nicht nach oben, sondern nach unten – auf Menschen, die ohnehin schon kämpfen.

Es ist höchste Zeit, diese Lüge zu beenden. Mit Fakten. Mit Haltung. Und mit einer ehrlichen Politik.


Quellen (Stand September 2025)

  • Bundesagentur für Arbeit, Statistik „Arbeitslosigkeit & gemeldete Stellen“
  • Deutschlandfunk, „Bürgergeld: Vorurteile und Fakten“
  • Süddeutsche Zeitung / Südwest-Presse, „Wie viele Menschen beziehen Bürgergeld?“
  • IAB-Forum, „Arbeitskräftebedarf 2025“
  • Welt, „Sanktionen bei Bürgergeld – Zahlen und Hintergründe“

Meinung – Sozialstaat: Mythen, Zahlen und Reformbedarf

Kaum ein politisches Thema wird derzeit so hitzig diskutiert wie die Frage nach der Finanzierbarkeit unseres Sozialstaates. Schlagzeilen über einen angeblich „nicht mehr tragbaren“ Sozialetat prägen die Debatte. Doch ein Blick in die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigt ein deutlich differenzierteres Bild.

Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt aktuell 5,53 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 lag dieser Wert sogar leicht höher bei 5,64 Prozent. Von einer eskalierenden Belastung der Gesamtwirtschaft durch den Sozialstaat kann also keine Rede sein. Der prozentuale Aufwand ist rückläufig – entgegen der öffentlichen Wahrnehmung.


Die wahren Kostentreiber

Oft wird das Bürgergeld in der politischen Diskussion zum Hauptproblem stilisiert. Tatsächlich macht es jedoch nur rund 58,2 Milliarden Euro aus – also weniger als 8 Prozent der Sozialausgaben.

Die eigentlichen Kostenschwerpunkte liegen in zwei anderen Bereichen:

  • Gesetzliche Krankenversicherung (GKV): 326,6 Milliarden Euro
  • Rentenversicherung: 409,4 Milliarden Euro

Besonders im Gesundheitswesen wurden Reformen in den vergangenen Jahren versäumt. Hinzu kommt die problematische Entscheidung des früheren Gesundheitsministers Jens Spahn, die Krankenkassen dazu zu verpflichten, ihre Rücklagen weitgehend aufzubrauchen – ein Schritt, der die finanzielle Stabilität des Systems langfristig geschwächt hat.


Polemik um Sanktionen und Migration

Ein weiterer wiederkehrender Streitpunkt ist die angebliche fehlende Sanktionierung von Bürgergeld-Beziehern und der Einfluss von Einwanderung auf den Sozialstaat. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache:

  • Von den insgesamt Beziehenden des Bürgergeldes gibt es nur ca. 18.000 Totalverweigerer, die größtenteils deutscher Abstammung sind.
  • Etwa 15.000 Menschen mit Migrationshintergrund befinden sich in Sprachkursen oder auf Arbeitssuche – und tragen aktiv zur Integration und Arbeitsmarktteilhabe bei.

Die Polemik, Migration oder fehlende Sanktionen seien Hauptursachen für die Belastung des Sozialstaats, ist sachlich falsch und verzerrt das Bild.


Notwendige Reformen im Gesundheitswesen

Ein zentraler Hebel zur Stabilisierung wäre die Einführung einer Bürgerversicherung für alle. Das heutige Zwei-Klassen-System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung führt zu Ungleichheiten und strukturellen Defiziten.

Ein modernes Modell könnte so aussehen:

  • Alle Bürger zahlen in eine einheitliche Versicherung ein.
  • Höhere Einkommen erhalten die Möglichkeit, sich durch Zusatzversicherungen auf das Niveau der heutigen PKV abzusichern – sofern sie dies wünschen.

Das würde das Solidarsystem breiter aufstellen und zugleich eine gerechtere Lastenverteilung ermöglichen.


Rentensystem: Integration statt Sonderregeln

Auch die Rentenversicherung bedarf grundlegender Reformen.

  • Die Integration der Pensionskassen in die gesetzliche Rentenversicherung würde das System erheblich stabilisieren.
  • Zudem sollten auch Beamte Rentenbeiträge zahlen – zumindest anteilig –, um eine faire Lastenverteilung zu gewährleisten.

Gerechte Steuerpolitik als Schlüssel

Eine echte Stabilisierung des Sozialstaats gelingt jedoch nur, wenn auch die Steuerpolitik angepasst wird. Hier bestehen erhebliche Ungerechtigkeiten:

  • Arbeitnehmer zahlen im Schnitt bis zu 42 Prozent Einkommensteuer, während Vermögende im Mittel nur etwa 25 Prozent auf ihre Kapitalerträge leisten.
  • Der Spitzensteuersatz sollte nicht – wie von der SPD vorgeschlagen – bereits ab 70.000 Euro Jahreseinkommen greifen. Sinnvoll wäre eine Erhöhung um mindestens 5 Prozentpunkte erst ab 125.000 oder 150.000 Euro Jahreseinkommen, womit der Satz bei 47 Prozent läge.

Zum Vergleich: Unter der konservativen Regierung Helmut Kohls lag der Spitzensteuersatz bei 52 Prozent – und gleichzeitig wurden Vermögen deutlich gerechter besteuert. Von einer „Überbelastung“ kann also historisch betrachtet keine Rede sein.


Fazit

Die Debatte um den „nicht mehr finanzierbaren Sozialstaat“ ist in großen Teilen eine Scheindebatte. Nicht das Bürgergeld oder die Sozialhilfeleistungen sind das Problem, sondern ein Reformstau in den großen Systemen Krankenversicherung und Rente – kombiniert mit einer Steuerpolitik, die Vermögen schont und Arbeit überproportional belastet.

Ein nachhaltiger, stabiler Sozialstaat braucht daher:

  1. Bürgerversicherung statt Zwei-Klassen-Medizin
  2. Integration der Pensionen in die Rentenversicherung
  3. Faire Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen

So ließe sich der Sozialstaat langfristig finanzierbar, gerecht und zukunftsfest gestalten – und das weit entfernt von Panikmache und falschen Schlagworten.

Meinung – DDR war kein Sozialismus, sondern Parteidiktatur

Aktuell geht ein Zitat von Heidi Reichinek viral – häufig aus dem Kontext gerissen und gezielt von Mitgliedern demokratischer Parteien oder deren Anhängern verwendet. Dieses Verhalten ist unlauter, schadet der Demokratie und ist Demokrat:innen unwürdig. Inhalte und Aussagen bewusst zu verfälschen, um politische Stimmung zu erzeugen oder persönliche Vorteile zu erzielen, untergräbt das Vertrauen in den politischen Diskurs und widerspricht den Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft.

Heidi Reichinek hat in einem Interview zutreffend darauf hingewiesen: Die DDR war kein reiner Sozialismus – und schon gar nicht ein demokratischer Sozialismus, wie ihn Parteien wie die SPD oder Die Linke nach ihrer Aufarbeitung heute als Zielbild vertreten.

Tatsächlich handelte es sich bei der DDR um eine Ein-Parteidiktatur, nicht um eine Arbeiterdemokratie. Die SED war keine Vertretung der Arbeiterschaft, sondern eine Herrschaftspartei. Betriebsräte oder echte Formen von Arbeiterkontrolle existierten nicht – sämtliche Beschlüsse kamen von oben. Genau das widerspricht dem Grundprinzip demokratischer Selbstverwaltung.

Staatskapitalismus statt Sozialismus

Der Sozialismus soll eigentlich Freiheit, Gleichheit und Selbstentfaltung ermöglichen. Die Realität in der DDR sah jedoch anders aus:

  • Ein Sicherheitsstaat mit Stasi, Zensur, politischer Verfolgung und Mauerbau.
  • Eine privilegierte Elite mit Zugang zu besseren Wohnungen, Westwaren und Auslandsreisen.
  • Eine Mehrheit, die unter Mangelwirtschaft und eingeschränkten Freiheitsrechten litt.

Das ist das Gegenteil von sozialistischer Befreiung. Sozialismus strebt Gleichheit an – die DDR schuf stattdessen eine neue herrschende Klasse.

Theoretische und historische Einordnung

Nach marxistischer Theorie war die DDR keine Selbstherrschaft der Arbeiterklasse, sondern eine bürokratische Diktatur über sie. Historiker und Politikwissenschaftler wie Wolfgang Leonhard, Ernst Nolte oder Gerd Koenen sprechen deshalb von Staatssozialismus oder bürokratischem Etatismus – aber nicht von echtem Sozialismus.

Auch linke Kritiker wie Leo Trotzki oder Rosa Luxemburg betonten, dass Bürokratie und Zwang Verrat an sozialistischen Prinzipien sind. Die DDR bestätigt genau diese Kritik.

Subjektive Erfahrung vs. Analyse

Viele ehemalige DDR-Bürger verweisen auf positive Alltagserfahrungen („Jeder hatte Arbeit“, „Es gab keine Obdachlosen“, „Alles war billiger“). Diese Sichtweisen sind nachvollziehbar – aber sie ersetzen keine strukturelle Analyse.

Soziale Sicherheiten gab und gibt es auch in Monarchien oder Diktaturen. Das allein macht ein System nicht zum Sozialismus. Entscheidend sind Macht- und Eigentumsverhältnisse – und diese zeigen klar: Die DDR war kein Sozialismus, sondern eine Parteidiktatur mit staatskapitalistischen Zügen.

Demokratischer Sozialismus heute – klare Abkehr von der SED

Der demokratische Sozialismus, wie er im Grundsatzprogramm der Partei Die Linke und ebenso in der Programmatik der SPD verankert ist, ist nicht nur ein positives Zukunftsbild, sondern auch eine bewusste Abgrenzung von der Geschichte.

Die Linke hat sich von den Strukturen und Praktiken der SED seit mehr als 25 Jahren eindeutig verabschiedet. Die Erfahrung der SED-Diktatur ist dabei nicht nur ein Teil der eigenen Aufarbeitung, sondern auch eine Mahnung – so wie das Dritte Reich eine gesamtgesellschaftliche Mahnung ist.

Beides – nationalsozialistische Diktatur wie auch die Parteidiktatur der DDR – darf sich niemals wiederholen. Demokratie lebt von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung. Diese Werte zu verteidigen, bleibt Auftrag aller Demokratinnen und Demokraten.

Fazit

Die DDR als Sozialismus zu verklären, bedeutet, Theorie und historische Fakten zu ignorieren. Nostalgische Erinnerungen oder subjektive Eindrücke können Aspekte beleuchten, ändern aber nichts an der systemischen Realität.

Die DDR war keine sozialistische Befreiungsgesellschaft, sondern eine autoritäre Herrschaftsform, die ihre Bevölkerung einschränkte und kontrollierte.
Der demokratische Sozialismus von heute hingegen ist ein Gegenentwurf – geprägt von Aufarbeitung, von der klaren Abkehr von autoritären Strukturen und von dem Auftrag: Nie wieder Diktatur.

Meinung – Die Linke: Vergangenheit bewältigt, Demokratie im Blick

Immer wieder werde ich, seit meinem Parteiwechsel, auf die Vergangenheit der Die Linke angesprochen: SED, PDS, ehemalige Funktionäre – solche Schlagworte begegnen mir im Gespräch, und die Hälfte der Zeit steckt in ihnen ein unterschwelliger Vorwurf: „Ist die Linke noch dieselbe wie damals?“

Die ehrliche Antwort ist: Nein – und das ist gut so.

Vergangenheit als Mahnung

Die Linke hat ihre Wurzeln in der PDS, die wiederum aus der SED hervorging. Diese Geschichte lässt sich nicht leugnen – und das sollte man auch nicht. Sie dient als Mahnung: Anti-demokratische Strömungen dürfen niemals wieder Fuß fassen – weder von rechts, noch von links. Aber gleichzeitig zeigt die Entwicklung der Partei seit den 1990er Jahren, dass Reform möglich ist. Die PDS und später Die Linke haben sich klar von den autoritären Strukturen der SED gelöst. Heute spielen ehemalige SED-Funktionäre keine Rolle mehr – oft sind sie in andere Parteien abgewandert. Die Linke ist offen, pluralistisch und demokratisch organisiert.

Demokratischer Sozialismus als Leitidee

Die heutige Linke ist Partei des demokratischen Sozialismus – einer Form des Sozialismus, die auf Freiheit, Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit setzt. Dieser Gedanke ist in Deutschland nicht neu: Er wurde lange von der SPD unter Willy Brandt geprägt. Nun findet er sich in der Linken wieder – modern, reflektiert und zukunftsorientiert.

Erneuerung durch Vielfalt

Ein entscheidender wichtiger Schritt war der Parteitag 2022: Dort hat Die Linke eine deutliche Abkehr von Russland vollzogen. Während zuvor Teile der Partei noch ambivalent auf die geopolitische Rolle Moskaus blickten, wurde hier ein klarer Bruch vollzogen – ein Bekenntnis zu Frieden, Völkerrecht und Demokratie.

Auch die Haltung zur NATO wurde neu ausgerichtet: Zwar sieht Die Linke das Bündnis weiterhin als reformbedürftig an, doch gleichzeitig wurde seine Notwendigkeit und sein Wert ausdrücklich anerkannt. Diese differenzierte Haltung steht für Realismus und Verantwortungsbewusstsein in der Außenpolitik.

Beides – die klare Abwendung von Russland und die Neubewertung der NATO – hat dazu geführt, dass sich die extreme Linke, pro-russische und teilweise nationalistisch geprägte, Strömung innerhalb der Partei abgespalten hat. Mit dem neu gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat sich diese Richtung bewusst außerhalb der Linken positioniert. Auch das zeigt: Die Linke entwickelt sich weiter – hin zu einer demokratischen, modernen linken Partei, die sich bewusst gegen autoritäre wie nationalistische Tendenzen stellt.

Sicherlich ein weiterer Faktor für die Erneuerung der Partei war und ist die Zuwanderung von Mitgliedern aus SPD und Grünen. Sie bringen neue Ideen, Perspektiven und Erfahrungen ein, die die Partei noch demokratischer und pluralistischer machen. So ist die Partei heute ein Raum, in dem gesellschaftliche Vielfalt, Generationenmix und unterschiedliche politische Erfahrungen zusammenfinden.

Zukunft als Chance

Die Programmatik der Linken spiegelt diese demokratische Ausrichtung wider: Chancengleichheit, soziale Sicherheit, Klimaschutz, faire Bildung und eine gerechtere Verteilung von Vermögen stehen im Zentrum. Diese Positionen unterscheiden sich klar von autoritären oder zentralistischen Ansätzen der Vergangenheit – sie sind praktische Umsetzung demokratischen Sozialismus.

Für mich persönlich ist Die Linke heute vor allem eine Mahnung und eine Chance zugleich. Mahnung, weil sie uns an die Gefahren erinnert, wenn Demokratie untergraben wird. Chance, weil sie zeigt, dass Reform, Pluralismus und Engagement die politische Landschaft nachhaltig prägen können.

Die Vergangenheit der Partei ist also kein Makel, sondern ein Fundament, auf dem eine demokratische, soziale und gerechte Politik aufgebaut wird – eine Politik, die wir gemeinsam weitertragen müssen.

Lokalblick – Neue Gesamtschule ist nicht Option, sondern Pflicht

Die Diskussion um eine neue Gesamtschule in Langenfeld begleitet uns bereits seit einer ganzen Weile, wie auch die Entwicklung der Schülerzahlen. Doch die Frage ist längst keine, die man weiter auf die lange Bank schieben könnte. Sie ist keine Option, sie ist eine Notwendigkeit. Denn schon heute stoßen unsere Schulen an ihre Grenzen.

Überfüllte Klassenräume, in denen gutes Unterrichten kaum noch möglich ist, gehören zum Alltag. Diese Belastung trifft nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch die Schülerinnen und Schüler. Elternvertreterinnen und -vertreter schlagen seit Langem Alarm, weil die Situation sowohl die Qualität des Unterrichts als auch die Zukunftschancen unserer Kinder gefährdet.


Fehlentscheidungen auf Basis unvollständiger Zahlen

Trotz dieser klaren Lage wurden politische Entscheidungen bislang auf Grundlage von unvollständigen Prognosen getroffen, die von wenigen geburtenschwachen Jahrgängen ausgehen. Das greift viel zu kurz. Die Realität ist:

  • nachhaltig hohes Niveau der Geburtenzahlen,
  • zunehmender Zuzug nach Langenfeld,
  • und eine Verdichtung des Stadtgebiets.

All diese Faktoren sind nicht ausreichend berücksichtigt worden. Damit wurde ein trügerisches Bild geschaffen, das den tatsächlichen Bedarf deutlich unterschätzt.


Container sind keine Lösung

nicht nur die CDU verkauft eine Kette von Fehlentscheidungen als zukunftsweisend. Dies irritiert besonders, da auch die CDU Langenfeld Fachkräfte aus dem Schulumfeld in ihren Reihen hat. Dazu gehört auch der Versuch, Containerklassen als flexible Lösung darzustellen. Doch in Wahrheit sind diese nur ein teurer Notbehelf.

  • Sie sind kostenintensiv im Unterhalt,
  • bieten keine nachhaltige Lernumgebung,
  • und verschärfen Probleme bei Aufenthaltsqualität, Inklusion und pädagogischen Standards.

Das ist keine Lösung, sondern ein Verschieben des Problems – zulasten der Kinder und Jugendlichen.


Das Kostenargument hält nicht stand

Ein weiteres Hindernis wird künstlich durch die genannten Zahlen aufgebaut. Während in der öffentlichen Diskussion von 120 Millionen Euro für einen Neubau die Rede ist, zeigen genauere Berechnungen, dass die tatsächlichen Kosten eher bei rund 80 Millionen Euro liegen. Ein genauer Blick offenbart: es wurden Projekte an anderen Schulen, wie dem Konrad-Adenauer-Gymnasium und der Kopernikus-Realschule in diese Summe einer neuen Gesamtschule eingerechnet, um ein „Kostenmonster“ zu konstruieren. Transparenz sieht anders aus.

Auch der Versuch, Kapazitäten über die Bettine-von-Arnim-Schule abzusichern, hat nicht funktioniert. Das strukturelle Problem bleibt ungelöst, Zeit wurde vertan. Familien in Langenfeld brauchen aber wohnortnahe und verlässliche Schulangebote.


Jetzt ist Entscheidung gefordert

Jeder weitere Aufschub verschärft die Engpässe, erhöht die Kosten und schwächt die Attraktivität unseres Bildungsstandorts. Eine neue Gesamtschule ist deshalb kein „Nice-to-have“, sondern die einzige tragfähige Antwort auf die Herausforderungen unserer Stadt.

Bildung ist die Grundlage für Chancengerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer die Zukunft Langenfelds im Blick hat, darf jetzt nicht länger zögern. Es braucht eine mutige, vorausschauende und verbindliche Entscheidung – für die Kinder, für die Familien, für die Zukunft unserer Stadt.

Meinung – Reden miteinander statt übereinander

Bundeskanzler Friedrich Merz trifft sich bereits zum zweiten Mal in kurzer Zeit mit den Spitzen der CDU/CSU-Fraktion zu sogenannten „Krisengesprächen“. Der Anlass: Die anhaltenden Spannungen innerhalb der Regierungskoalition und die Frage, wie man sich strategisch gegenüber den Partnern – vor allem der SPD – positioniert. Offiziell geht es also um die Stabilität der Regierung und die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition. Doch der Eindruck, der entsteht, ist ein anderer: Es wird weniger über politische Lösungen gesprochen, sondern vielmehr über Koalitionspartner, Koalitionsvertrag und Machtfragen.

Gerade in einer Zeit multipler Krisen ist das problematisch. Denn wer permanent den Koalitionsvertrag infrage stellt oder die Partner öffentlich kritisiert, beschädigt das Vertrauen in die demokratischen Institutionen. Demokratie lebt von Verlässlichkeit – und diese entsteht durch den Willen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, nicht durch taktisches Lavieren.


Koalition heißt Ausgleich – nicht einseitige Umsetzung

Eine Koalition ist immer ein Bündnis auf Zeit, getragen von Kompromissen. Das bedeutet: Alle Partner müssen auch Rückschläge und Abstriche akzeptieren. Doch in der aktuellen Regierungsarbeit zeigt sich ein Ungleichgewicht. Während zahlreiche sozialpolitische Projekte der SPD, die fest im Koalitionsvertrag verankert waren, zurückgestellt oder gestrichen wurden, fanden konservative Vorhaben durchaus ihren Weg in die Umsetzung, wie etwa Verschärfungen in der Migrationspolitik oder restriktive Haushaltsdisziplin.

Wer in einer Koalition ernsthaft „gegensteuern“ will, muss auch bereit sein, Zugeständnisse zu machen und den Partnern politische Erfolge zu ermöglichen. Nur so entsteht Vertrauen, nur so kann ein gemeinsamer Weg gefunden werden. Das gilt insbesondere im Verhältnis zur SPD, die zuletzt den größeren Teil der Kompromisse getragen hat.


Sozialkürzungen sind Symbolpolitik

Besonders deutlich wird die Schieflage beim Thema Sozialpolitik. Immer wieder werden Kürzungen bei den Sozialleistungen gefordert. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Zahlen: Nur etwa 8 Prozent des Sozialetats entfallen auf Leistungen, die direkt gekürzt werden könnten. Wer hier den Rotstift ansetzt, verschiebt Zahlen, löst aber keine strukturellen Probleme.

Die eigentliche Herausforderung liegt in den 92 Prozent, die durch Rentenzahlungen und das Gesundheitssystem gebunden sind. Diese Bereiche sind seit Jahren reformbedürftig:

  • Rente: Der demografische Wandel gefährdet die Finanzierbarkeit des Systems. Ohne grundlegende Reformen drohen steigende Beiträge und sinkende Leistungen.
  • Gesundheit: Kostensteigerungen, Fachkräftemangel und eine überlastete Pflegebranche verlangen nach strukturellen Antworten – nicht nach kurzfristigen Sparmaßnahmen.

Ironischerweise sind es gerade Entscheidungen aus der Vergangenheit, wie die von der CDU durchgesetzte Mütterrente, die zusätzliche Belastungen für die Rentenkasse geschaffen haben. Gesellschaftspolitisch nachvollziehbar, finanziell aber langfristig problematisch.


Demokratie braucht Verantwortungsbereitschaft

Eine Regierung kann nur dann erfolgreich arbeiten, wenn sie nicht in ständigen Machtfragen verharrt, sondern das gemeinsame Ziel in den Vordergrund stellt. Wer Koalitionspartner kleinredet oder Koalitionsverträge einseitig interpretiert, schwächt die Handlungsfähigkeit des gesamten Bündnisses – und schadet damit letztlich der Demokratie.

Es ist höchste Zeit, das Gesprächsklima innerhalb der Koalition zu verbessern. Statt auf Polarisierung zu setzen und Koalitionspartner öffentlich in Frage zu stellen, braucht es den ehrlichen Willen zum Miteinander. Wer nur das eigene Profil schärfen möchte, schwächt am Ende die Handlungsfähigkeit der gesamten Regierung – und damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie.

Statt auf Symbolpolitik zu setzen, braucht es daher den Mut zu echten Reformen. Und statt kurzfristiger Profilierung sollte das langfristige Wohl des Landes den Maßstab politischen Handelns bilden.

Lokalblick – Langenfeld braucht eine städtische Wohnungsbaugesellschaft

In Langenfeld stehen wir vor einer wichtigen städtebaulichen und sozialen Aufgabe: die Balance zwischen Wohnraumbedarf, wirtschaftlicher Tragfähigkeit der Stadt und einer lebenswerten Infrastruktur. Ein besonders gutes Beispiel hierfür ist das geplante Neubaugebiet auf dem ARA-Gelände.

Einpendlerüberschuss – ein wichtiger Indikator

Bevor wir über Wohnungsbau sprechen, ist es wichtig zu verstehen, was der Einpendlerüberschuss bedeutet. Einpendlerüberschuss bezeichnet die Differenz zwischen der Anzahl der Menschen, die in eine Stadt zum Arbeiten pendeln, und der Anzahl derjenigen, die aus der Stadt heraus pendeln. In Langenfeld sollte ein gesunder, durch Abgaben der Langenfelder:innen tragbarer Einpendlerüberschuss idealerweise zwischen 3.800 und 5.700 Personen liegen.

Aktuell liegt der Einpendlerüberschuss bereits über diesem Maximalwert, auch nach konservativen Schätzungen. Langenfeld bietet aktuell nämlich bereits mehr Arbeitsplätze als Wohnraum. Es pendeln also mehr Menschen zum Arbeiten nach Langenfeld, als aus Langenfeld heraus. Die Kosten für diese zusätzliche Belastung der Infrastruktur zahlen, neben den ansässigen Gewerbetreibenden, auch die Bürger:innen über ihre Abgaben vor Ort.

Neue Wohnansiedlungen sind daher notwendig und unumgänglich, wenn wir auch künftig unsere kommunale Infrastruktur – von Straßen und Schulen bis zu Sport- und Kultureinrichtungen – solide und ohne übermäßige Belastung der Bürger:innen finanzieren wollen.


Warum eine städtische Wohnungsbaugesellschaft sinnvoll ist

Gerade am ARA-Gelände zeigt sich, wie wichtig eine starke städtische Hand beim Wohnungsbau wäre:

  1. Bezahlbarer Wohnraum für alle:
    • In Langenfeld haben etwa 33 % der Menschen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein.
    • Gleichzeitig fallen in den kommenden Jahren rund 600 geförderte Wohnungen aus der Bindung. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft kann gezielt Wohnungen für diese Gruppe bereitstellen.
  2. Hoher Anteil geförderter Wohnungen wirtschaftlich realisierbar:
    • Mittels Teilfinanzierung durch den städtischen Haushalt könnten 50–60 % der Neubauten gefördert oder preisgedämpft sein.
    • Die frei verkäuflichen Wohnungen (40–50 %) sichern die Liquidität der Projekte und ermöglichen weitere Investitionen.
  3. Planungssicherheit für die Stadt:
    • Eine städtische Gesellschaft kann langfristig die Infrastrukturbelastung steuern, Wohnungsbedarf planen und gleichzeitig sozialen und wirtschaftlichen Zielen gerecht werden.
  4. Verdichtetes Bauen statt Einfamilienhäuser:
    • Es ist ebenfalls wenig sinnvoll, auf städtischen Neubauflächen ausschließlich freistehende Einfamilienhäuser oder Doppelhäuser zu planen.
    • Solche Bauweisen erhöhen den Druck auf den Wohnungsmarkt, verringern die Flächen für geförderten Wohnraum und belasten die verbleibenden Freiflächen unnötig.
    • Verdichtete Wohnformen (Mehrfamilienhäuser, Reihenhäuser, Mietwohnungen) ermöglichen eine effektive Flächennutzung und bieten gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum für viele Haushalte.

Das ARA-Gelände ist mehr als nur ein Neubaugebiet – es ist ein Schlüsselprojekt für die Zukunft Langenfelds. Angesichts des bereits hohen Einpendlerüberschusses, der anstehenden Auslaufzeiten geförderter Wohnungen und der begrenzten Flächen ist eine starke städtische Wohnungsbaugesellschaft die richtige Lösung: Sie schafft bezahlbaren Wohnraum, sichert die wirtschaftliche Stabilität der Stadt und ermöglicht eine nachhaltige, verdichtete Nutzung der Flächen.

Langenfelds Zukunft braucht klare Entscheidungen – für alle Bürger:innen.

Lokalblick – Bürgermeisterkandidatur: Anforderungen, Motivation und Widerstände

Ein Bürgermeisteramt ist kein „Job wie jeder andere“. Es verlangt Eigenschaften, die weit über Verwaltungserfahrung hinausgehen. Wer Bürgermeister werden will, sollte vor allem diese Kompetenzen mitbringen:

  1. Integrität und Glaubwürdigkeit: Bürgerinnen und Bürger erwarten Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Transparenz. Entscheidungen müssen nachvollziehbar sein – auch dann, wenn sie unbequem sind.
  2. Bürgernähe und Empathie: Ein Bürgermeister muss zuhören können, auf Menschen zugehen und ihre Anliegen ernst nehmen. Präsenz vor Ort ist entscheidend: nicht nur im Rathaus, sondern auch bei Vereinen, Veranstaltungen und im Alltag der Stadtteile.
  3. Gestaltungswille und Vision: Verwaltung bedeutet mehr als Aktenführung. Es geht darum, Impulse für die Zukunft zu setzen – bei Stadtentwicklung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit.
  4. Führungskompetenz: Dazu gehört die Fähigkeit, eine Verwaltung effizient zu führen, Mitarbeitende zu motivieren und Entscheidungen klar zu kommunizieren. Ebenso wichtig ist die Vermittlungsstärke zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft.
  5. Brückenbauer: Ein Bürgermeister muss eigene Schwerpunkte setzen, aber ebenso Kompromisse aushandeln können. Unterschiedliche Interessen zusammenzuführen und tragfähige Lösungen zu entwickeln, ist Kernaufgabe.
  6. Belastbarkeit und Konfliktfähigkeit: Kritik aushalten, souverän reagieren und in schwierigen Situationen handlungsfähig bleiben – ohne diese Fähigkeit geht es nicht.
  7. Verankerung in den Grundwerten der Demokratie: Wer Bürgermeister werden will, muss sich uneingeschränkt auf die Werte von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit und Teilhabe verpflichten. Diese Haltung ist das Fundament, auf dem Integrität, Bürgernähe und Führungsstärke erst glaubwürdig wirken können.

Als ich 2020 kandidierte, waren es insbesondere Integrität, mein Wille, als Brückenbauer zu wirken, und mein Gestaltungswille, für die Stadt in der ich eine neue Heimat gefunden habe, die mich antrieben.


Motivation zur Kandidatur

Wer für das Amt des Bürgermeisters kandidiert, sollte dies nicht aus Karriereambitionen tun, sondern aus echter Verantwortung für die Gemeinschaft. Die Motivation muss auf einem klaren Fundament stehen:

  • Gestaltung der lokalen Lebensqualität: Schulen, Kitas, Sport- und Kulturangebote, bezahlbarer Wohnraum und eine lebendige Innenstadt – all das prägt den Alltag der Menschen und kann durch einen Bürgermeister entscheidend beeinflusst werden.
  • Stärkung von Demokratie und Teilhabe: Bürgerinnen und Bürger sollen einbezogen und ernst genommen werden, damit Vertrauen in Politik und Institutionen wächst.
  • Nachhaltige Stadtentwicklung: Klimaschutz, moderne Mobilität, Digitalisierung und Infrastruktur müssen in Einklang gebracht werden.
  • Wirtschaft und Arbeitsplätze sichern: Unternehmen unterstützen, Investitionen anziehen, Ausbildungschancen schaffen.
  • Sozialer Zusammenhalt: Integration, Inklusion und Förderung des Ehrenamts sorgen dafür, dass sich alle Menschen in ihrer Stadt zu Hause fühlen.
  • Persönlicher Antrieb: Spürbare Begeisterung für die eigene Stadt – und die Überzeugung, dass es nicht um persönliche Karriere, sondern um „Dienst an der Gemeinschaft“ geht.

Das war auch mein Verständnis. Als ich 2020 kandidierte, standen für mich besonders drei Punkte im Vordergrund:

  • der soziale Zusammenhalt,
  • die nachhaltige Stadtentwicklung und
  • mein persönlicher Antrieb.

Ich wollte zeigen: Politik ist kein Selbstzweck. Sie kann unsere Stadt konkret und sichtbar gestalten – wenn man mit Leidenschaft und Integrität daran arbeitet.


Widerstände im Wahlkampf

Ein Wahlkampf auf kommunaler Ebene unterscheidet sich deutlich von Land- oder Bundespolitik. Er ist unmittelbarer, persönlicher – und gerade deshalb herausfordernd, wie das Jahr 2020 in Zeiten von Corona besonders gezeigt hat.

Für Bürgermeisterkandidat:innen ist eine zentrale Hürde häufig nicht die fachliche Auseinandersetzung, sondern die Wahrnehmung durch die Wählerinnen und Wähler. Viele Gespräche beginnen nicht mit konkreten Fragen zu Ideen und Zielen für die Stadt, sondern mit Zuschreibungen wie: „Sie haben die richtige Einstellung, aber die Partei XYZ wähle ich nicht.“ Schon ist die Schublade geöffnet – die Person hinter der Kandidatur wird oft erst an zweiter Stelle wahrgenommen und ihre Themen sind in diesem Moment nicht mehr von Relevanz..

Das kann ernüchternd sein für Menschen, die Politik aus Überzeugung und Leidenschaft für ihre Stadt betreiben – wie auch ich es tue. Integrität, Gestaltungswillen und die Fähigkeit, Brücken zu bauen, sollen sichtbar werden – doch meist dominieren Diskussionen über landes- oder bundespolitische Themen, auf die ein Bürgermeister vor Ort nur begrenzten Einfluss hat. Die konkreten Ideen für Schulen, Vereine oder die Innenstadt geraten so schnell in den Hintergrund.

Ein weiterer Widerstand ist die Polarisierung. Kommunalpolitik lebt grundsätzlich vom Miteinander und vom Aushandeln von Kompromissen. Im Wahlkampf verschärfen sich die Fronten jedoch häufig, Schwarz-Weiß-Malerei wird zur Versuchung – und die Grautöne, in denen die eigentliche Arbeit stattfindet, sind schwer zu vermitteln.

Schließlich sind auch persönliche Angriffe eine Belastung. Inhaltliche Kritik gehört zum demokratischen Prozess dazu, doch wenn Familie, Beruf oder persönliche Werte in Frage gestellt werden, steigt der Druck erheblich. Besonders für Kandidat:innen, die Politik neben Beruf und Familie betreiben, ist das eine zusätzliche Herausforderung.

Wahlkampf bedeutet also, sich permanent in einer Rolle zu behaupten, die weniger den Menschen selbst, sondern oft das Parteibuch in den Vordergrund stellt. Dies kann auf Dauer die Motivation belasten, auch wenn Engagement aus Überzeugung und für die Stadt nach wie vor der Kernantrieb bleibt.


Warum eine erneute Kandidatur nicht infrage kam

Die im Wahlkampf erfahrenen Widerstände haben mir deutlich gemacht: Um Bürgermeister zu sein, reicht es nicht aus, Motivation, Integrität und Visionen mitzubringen. Ebenso entscheidend ist die Bereitschaft, ständig in einer Rolle zu bestehen, in der oft weniger die Person, sondern stärker das Parteibuch wahrgenommen wird.

Dabei stellt sich eine kritische Frage: Warum scheinen parteilose Kandidierende häufiger Chancen eingeräumt zu werden als parteigebundene – obwohl kommunale Politik auf Erfahrung, Engagement und den konkreten Beitrag zur Stadt ankommt? Diese Wahrnehmung ist problematisch, denn auch Parteimitglieder können unabhängig, sachorientiert und nah am Bürger agieren. Ihr Engagement sollte nicht von Zuschreibungen über Landes- oder Bundespolitik überlagert werden.

Für mich persönlich war klar: Dieses Schubladendenken entspricht nicht meinem Verständnis von Kommunalpolitik. Denn ich bin auch nur ein Bürger dieser Stadt. Ich möchte mich einbringen, ohne permanent gegen Zuschreibungen kämpfen zu müssen, die nicht zu mir passen.

Deshalb war nach 2020 für mich eindeutig: Mein Engagement bleibt bestehen – aber ich werde es dort entfalten, wo es die größte Wirkung entfalten kann: im Stadtrat, in Vereinen, seiner Zeit als stellvertretender Bürgermeister und im direkten Austausch mit den Menschen. Nicht im Hauptamt, das mich zu sehr in Schubladen zwingt und mich von dem entfernt, was mir am wichtigsten ist: die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern.

Mein Wunsch an die Bürgerinnen und Bürger ist klar: Zukünftig sollte stärker der Mensch, das Engagement und die konkrete Arbeit für die Stadt wahrgenommen werden – nicht nur das Parteibuch. Wer Kommunalpolitik lebt, tut dies aus Leidenschaft für die eigene Stadt, unabhängig von übergeordneten politischen Konflikten.

100 Tage Schwarz-Rot – oder: Schwarz mit rotem Zierstreifen

Nach 100 Tagen dieser sogenannten „Schwarz-Roten“ Koalition muss man wohl ehrlicherweise sagen: Es handelt sich um eine schwarze Koalition mit rotem Zierstreifen.

Die SPD ist nicht nur inhaltlich in der Defensive, sie hat bereits mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zentrale Grundsätze wie Menschenrechte, Humanität und soziale Gerechtigkeit zur Disposition gestellt.
Heute – nur drei Monate später – trägt sie aktiv Sozialabbau mit und lässt sich in Fragen der demokratischen Kultur und Rechtsstaatlichkeit vom Trumpismus Einiger in der Union treiben, etwa bei der Besetzung der Richterposten am Bundesverfassungsgericht.


Versprechen gebrochen – noch bevor sie begonnen haben

Der Koalitionsvertrag enthielt klare Zusagen an die SPD, die für viele Mitglieder und Wählerinnen entscheidend waren. Nur 100 Tage später sind diese bereits gestrichen oder auf unbestimmte Zeit vertagt:

  • Einführung eines Mindestlohns von 15 Euro
  • Einkommenssteuerreform für kleine und mittlere Einkommen
  • Entlastung bei der Stromsteuer für Privatpersonen
  • Wiedereinführung der Vermögenssteuer
  • Reform der Erbschaftssteuer
  • Erhöhung des Spitzensteuersatzes
  • Rentenreform
  • Vorschlag für Neubesetzung beim Bundesverfassungsgericht

Diese Punkte waren nicht nur Wahlversprechen, sondern auch klare soziale Korrekturen, die der SPD ihre politische Rechtfertigung in dieser Koalition geben sollten. Sie sind nun Makulatur.


Rückschritte statt Fortschritt

Während zentrale sozialdemokratische Vorhaben gestrichen wurden, hat die SPD zahlreiche rückwärtsgewandte und teils klar lobbyfreundliche Projekte der Union klaglos mitgetragen – ohne nennenswerte Gegenwehr:

  • Senkung der Unternehmenssteuer
  • Einführung der sogenannten „Mütterrente“
  • Steuernachlass für Restaurantbesuche
  • Verschärfte Sanktionen beim Bürgergeld
  • Subventionen für Agrardiesel
  • Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze
  • Aussetzung des Familiennachzugs
  • Drastische Kürzungen bei der humanitären Hilfe
  • Billigere Flüge, teureres Bahnfahren

Diese Liste ist ein politisches Bekenntnis – allerdings kein sozialdemokratisches, sondern ein wirtschafts- und ordnungspolitisches Programm nach Unionsvorstellung.


Sozialstaat in der Abwärtsspirale

Verbleibt die SPD in dieser Koalition, wird am Ende von ihren sozialen Wurzeln kaum mehr etwas übrig sein.

Statt gegen den Umbau des Sozialstaates zugunsten der Starken und zulasten der Schwachen zu kämpfen, macht sie sich mitschuldig an dieser Entwicklung.
Die Rolle der SPD in dieser Regierung ist nicht die eines gleichberechtigten Partners, sondern die eines stillen Erfüllungsgehilfen.


Der Austritt aus der SPD war für mich eine bittere Entscheidung – aber diese 100-Tage-Bilanz bestätigt, dass er notwendig war. Wer soziale Gerechtigkeit, Humanität und Menschenrechte ernst nimmt, darf nicht Teil einer Partei sein, welche diese Werte in einer Regierung nicht nur vernachlässigt, sondern aktiv untergräbt.

Meinung – Effektivität muss Vorrang vor Effizienz haben.

In der politischen Diskussion fällt mir immer wieder auf: Es wird viel zu oft von Effizienzsteigerung und viel zu selten von Effektivitätssteigerung gesprochen. Das ist mehr als eine sprachliche Feinheit – es ist ein grundlegender Unterschied in der Denkrichtung und der Wirkung politischer Entscheidungen.

Effizienzsteigerung heißt in der Praxis: mit weniger Mitteln den gleichen Output erzielen. Klingt zunächst vernünftig, entpuppt sich in der Realität aber meist als Sparmaßnahme, die Prozesse verkürzt, Leistungen kürzt oder Standards absenkt. Für öffentliche Haushalte bedeutet das schlicht: weniger Angebote, weniger Qualität, weniger Wirkung. Die Leidtragenden sind in der Regel die unteren und mittleren Einkommen, die mit weniger Unterstützung auskommen müssen, während gleichzeitig Belastungen steigen.

Effektivitätssteigerung hingegen bedeutet: die richtigen Dinge tun – also Maßnahmen und Ausgaben so gestalten, dass sie tatsächlich den größten Nutzen bringen. Das kann heißen, bestehende Mittel anders einzusetzen, Prioritäten neu zu setzen oder Strukturen so zu verändern, dass der Output gesellschaftlich relevanter und nachhaltiger wird.

Auffällig ist dabei: Insbesondere konservative Parteien sprechen in der Regel von Effizienzsteigerung – was ihrem Fokus auf Haushaltsdisziplin und Ausgabenkürzungen entspricht. Progressive Parteien links der Mitte hingegen verknüpfen ihre Reformvorschläge häufiger mit dem Gedanken der Effektivitätssteigerung – also einer gezielten, wirksameren Nutzung der vorhandenen und zusätzlich zu erschließenden Mittel.


Priorität: Effektivität steigern – nicht Leistungen kürzen

Damit unsere Gesellschaft handlungsfähig bleibt, müssen wir über alle politischen Ebenen hinweg die Effektivitätssteigerung zur Priorität machen. Das heißt konkret:

  • Sinnvolle Umverteilung der Mittel statt pauschalem Kürzen
  • Wiedereinführung der Vermögenssteuer
  • Erhöhung des Spitzensteuersatzes bspw. auf das Niveau wie unter Helmut Kohl

Die zusätzliche Einnahmen kann man dann gezielt für Entlastung der unteren Einkommen und Investitionen nutzen. Dies sichert nicht nur die Finanzierbarkeit des Systems sondern schafft auch den notwendigen Spielraum, um die Schere zwischen hohen und niedrigen Einkommen zu schließen.


LEAN-Prinzip auch in der Politik nutzen

Das LEAN-Prinzip – Verschwendung vermeiden, aber den Kernprozess stärken – lässt sich ebenfalls hervorragend auf politische Haushalte übertragen:

Nicht überall den Rotstift ansetzen, sondern gezielt dort investieren, wo der gesellschaftliche Nutzen am größten ist. So entstehen zusätzliche Spielräume für Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und soziale Sicherheit.


Warum Effizienzsteigerung die falsche Antwort ist

Effizienzsteigerung klingt harmlos, ist in der Praxis aber häufig nur ein anderes Wort für „Sparen“. Und sparen bedeutet im öffentlichen Bereich fast immer: weniger Personal, weniger Leistung, weniger Qualität. Die Folge: Menschen arbeiten länger, verdienen real weniger und der gesellschaftliche Zusammenhalt leidet.

Wir müssen uns ehrlich machen: Nur durch kluge Effektivitätssteigerung und gerechte Einnahmenpolitik können wir ein leistungsfähiges, solidarisches und zukunftsfähiges Gemeinwesen sichern. Alles andere ist kurzfristiges Stückwerk, das langfristig mehr kostet, als es einspart.


Politik braucht den Mut, nicht nur laienhaft an den Prozessen herumzuschrauben, sondern die richtigen Dinge zu tun – und diese ausreichend zu finanzieren.
Das erfordert Entscheidungen, die nicht jedem gefallen werden, aber dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft in zehn, zwanzig und dreißig Jahren noch funktioniert.

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