Unter dem Schlagwort Standpunkt werde ich künftig meine persönliche Meinung zu aktuellen politischen Themen – seien sie kommunal-, landes-, oder bundespolitisch – veröffentlichen, um Ihnen einen besseren Eindruck darüber zu vermitteln, wofür ich politisch stehe und für welche Ziele ich mich einsetze. Eröffnen möchte ich die Reihe mit einem bundespolitischen Thema, welches jedoch gleichermaßen starke Auswirkungen auf kommunaler Ebene haben kann: dem Sozialstaat.

Um einzuordnen wo wir aktuell in Bezug auf den Sozialstaat stehen, und was in den zurückliegenden Jahren passiert ist, lässt sich wohl am besten eine einfache Metapher nutzen:

Vergleicht man den Sozialstaat mit einer Werkstatt, so kann man sicherlich sagen, dass die SPD in den vergangenen Jahren Vieles darin umgebaut, verschrottet und neu eingeführt hat. Nur an die eine große, hässliche Maschine, die sie vor anderthalb Jahrzehnten errichtet hat, traute sie sich nie heran.

Für mich ist klar: damit muss Schluss sein!

Der Staat als Sozialpartner und Tarifbindung

Die Begriffe Sozialpartner und Tarifbindung mögen in den geführten Diskussionen zwar zunächst abstrakt klingen, sind aber bereits sehr konkret. Ziel ist es, dass der Sozialstaat organisieren soll – damit er hinterher so wenig wie möglich als Mechaniker reparieren muss. Der Bund soll sich selbst per Gesetz zwingen, Aufträge nur noch an Firmen zu vergeben, die mindestens zwölf Euro Stundenlohn zahlen. Firmen, die sich Tarifverträgen unterwerfen, sollen ebenfalls Steuervorteile erhalten.

Zudem soll das Arbeitsministerium einfacher Tarifverträge für allgemein verbindlich erklären können, indem den Arbeitgebern das Vetorecht gestrichen wird, das sie in einem Ministeriumsausschuss haben. Ein aktuelles Beispiel ist die mögliche Tarifbindung im Bereich der Pflege und Betreuung. Die Idee dahinter: Je mehr die Menschen verdienen, umso geringer das Risiko, dass sie, spätestens im Alter, Unterstützung durch den Sozialstaat brauchen. Denn niedrige Renten haben ihren Ursprung vor allem Anderen in niedrigen Löhnen.

Da sich dieser Teil des Modells nur mit der Lebensphase befasst, in der die Menschen berufstätig sind, wurde für die Phase danach – in einem ersten Schritt – die „Grundrente“ erdacht, mit der Rentnern der Gang zum Sozialamt in Teilen erspart werden soll.

Der Sozialstatt neu gedacht

Da die Probleme durchaus aktuell sind, die Dieter Althaus in seinem Modell von 2006 als Grund dafür sieht, wieso das „Solidarische Bürgergeld“ notwendig ist, ist es interessant sich mit einer möglichen Lösung dieser zu beschäftigen. Unsere Gesellschaft wird sich früher oder später bestimmten Herausforderungen stellen müssen und das „Solidarische Bürgergeld“ ist eine der vielen Möglichkeiten, diesen zu begegnen. Aus meiner persönlichen Sicht finde ich es interessant und wichtig, sich Gedanken über die Zukunft unserer Gesellschaft und unseres Sozialsystems zu machen und dieses Modell regt dazu an. Besonders interessant ist dieses Modell auch deshalb, weil es Studien von Experten gibt, die das „Solidarische Bürgergeld“ als grundlegend finanzierbar einschätzen, wenn man einige Modifizierungen vornimmt (Strengmann-Kuhn/Opielka, 2007), es also tatsächlich realistisch ist.

Das Verständnis vom Menschen verlangt, dass wir ihm das zugestehen, was er zu einem menschenwürdigen Leben braucht. Das Sozialstaatsprinzip bestätigt diesen Grundsatz. Als Bismarck Ende des vorletzten Jahrhunderts das deutsche Sozialversicherungssystem einführte, gab es dafür kein Vorbild. Heute wird dieses System nicht hinterfragt, als wäre es von Gott gegeben. Kein Zweifel: Ein Jahrhundert hat sich die Bismarcksche Sozialreform bewährt. Aber das entlässt uns nicht aus der Verantwortung, Antworten auf die Zukunft des Sozialstaates zu geben. Das heißt auch und vor allen Dingen, sich dem atemberaubenden technischen Fortschritt, der Globalisierung und dem demografischen Wandel zu stellen.

Arbeitslosengeld I und Q

Kommen wir also zum Staat als Mechaniker, und arbeiten die notwendigen Schritte der Veränderung einmal Baustein für Baustein auf. Der Begriff „Arbeitslosengeld I“ steht bislang weitestgehend unkritisch gesehen in der Werkstatt, also darf er zunächst einmal bleiben. Fallen soll jedoch zwingend die rigide Begrenzung, die besagt, dass wer jünger als 50 ist, dieses Geld bisher maximal ein Jahr lang erhält; lediglich ältere Menschen haben seit einiger Zeit die Chance, es auch zwei Jahre lang zu bekommen. Die SPD will an dieser Stelle zweierlei:

  1. soll Jeder, der nach drei Monaten noch keinen neuen Job gefunden hat, Anspruch auf Weiterbildung („Qualifizierung“) haben – und in der Zeit der Weiterbildung zusätzlich ein „Arbeitslosengeld Q“ bekommen, das genauso hoch ist wie das Arbeitslosengeld I. Dauert die Weiterbildung zwischen zwölf und 24 Monaten, gibt es in der Zeit weiterhin das volle Arbeitslosengeld Q und das halbe Arbeitslosengeld I.
  2. soll darüber hinaus künftig nicht mehr nur das Alter den Ausschlag geben, wie lange jemand Arbeitslosengeld erhält, sondern auch, wie lange man Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlt hat. Maximale Bezugsdauer künftig: drei Jahre.

Aber auch diese Maßnahmen genügen noch lange nicht! Eine angemessene Anpassung des Regelsatzes ist ebenso notwendig, wie die unten beschriebenen weiteren Schritte.

Kindergrundsicherung

Bei der Kindergrundsicherung geht es darum, Kindergeld und Kinderfreibeträge zu ersetzen. Wiederum sind zwei Dinge hierzu angedacht:

  1. Infrastrukturelle Förderung, es geht darum, noch mehr als bisher Kitas, Ganztagsbetreuung, Mittagessen oder Mobilität frei von Beiträgen zu machen.
  2. Individuelle Grundsicherung – ob und wie viel es gibt, soll vom Einkommen der Eltern abhängen.

Grundrente

Es ist unter den oben genannten Gesichtspunkten nur konsequent, für die angedachte Grundrente auf eine Bedürftigkeitsprüfung zu verzichten. Mit einer Bedürftigkeitsprüfung würden nämlich Millionen von Rentnern zu Fürsorgeempfängern. Wollen wir es diesen Menschen wirklich zumuten, dass sie regelmäßig die Ämter aufzusuchen, um Ihre Ansprüche zu belegen? Ich sagen, nein! Die Schwierigkeiten, mit denen die Jobcenter bereits im Rahmen der Leistungen von Hartz IV zu kämpfen haben, mit ihren elenden und in weiten Teilen diskriminierenden Prüfungen, würde künftig nicht nur bei der Gewährung von Arbeitslosengeld, sondern auch bei der Gewährung von Rente stattfinden.

Der bürokratische Aufwand wäre zudem schier ungeheuerlich. Ebenso wäre der Feststellungsaufwand von der Rentenversicherung kaum zu leisten, hat sie doch schon mit der Feststellung der Rentenversicherungszeiten genügend zu tun. Hinzu kommt die Tatsache, dass eine Grundrente aus meiner Sicht lediglich ein erster Schritt auf dem Weg hin zu einem neuen Modell des Sozialstaat sein kann, und muss – ein erster Baustein wenn man so will.

Bürgergeld

Damit wären wir auch schon beim letzten, aus meiner Sicht wichtigsten und fundamentalen Baustein eines neu gedachten Sozialstaates. Bürgergeld, so sagen Viele, klingt besser als Arbeitslosengeld II und sehr viel besser als Hartz IV, und unterstellen den Reformideen, dass nur dieses die Absicht dabei sei. Dem ist nicht so. Das Bürgergeld stellt einen – lange überfälligen – Bruch mit Hartz dar! Wer maximal drei Jahre das Arbeitslosengeld I bezogen hat und immer noch ohne Job ist, soll nicht länger sein Vermögen aufbrauchen und in eine kleinere Wohnung ziehen, damit es Bürgergeld gibt. Mit sinnwidrigen und unwürdigen Sanktionen muss ebenfalls Schluss sein.

Das hier als Bürgergeld bezeichnete bedingungslose Grundeinkommen ist eine garantierte, Existenz sichernde Grundversorgung und soll an alle Bürger gezahlt werden. An diese monatliche Zahlung darf, und soll im übrigen auch, keinerlei Bedingung geknüpft werden. Das Bürgergeld würde ohne Bedürftigkeitsprüfung an jeden Bürger ausgezahlt werden, unabhängig von dessen Vermögen oder seinem Einkommen. Der Bezug verpflichtet zu keinen Gegenleistungen, es gibt vielmehr einen Rechtsanspruch auf die Auszahlung.

Je nach Modellvorschlag bewegt sich die Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens zwischen 700 und 1.500 Euro. In einem ersten Schritt dürfte die – oft in den Medien zitierte – Höhe von 1000 Euro sinnvoll erscheinen – insbesondere in Bezug auf die Finanzierbarkeit durch Umverteilung von Haushaltsmitteln. Neben dem bedingungslosen Grundeinkommen würde es daher keine weiteren Transferleistungen, wie zum Beispiel Bafög, Rente, oder Arbeitslosengeld, geben – diese gehen im Rahmen der erwähnten Umverteilung in dem geforderten Bürgergeld auf. Die aktuell angedachte Grundrente würde – so die Idee – letztlich in dieser Form des Bürgergeldes aufgehen. Zusätzlich wäre es jedem Bürger erlaubt, weiteres Einkommen hinzuzuverdienen, was nicht auf das Bürgergeld angerechnet werden würde.

Zur Finanzierung dieses Modells gibt es verschiedene Vorschläge. Einen habe ich oben bereits genannt, da es der aus meiner Sicht sinnhafteste Vorschlag ist, den man verfolgen sollte. Grundsätzlich würden also die Gelder, die bisher über das soziale Sicherungssystem liefen, zur Finanzierung des Bürgergelds herangezogen werden. Zusätzlich gehen alle Modellvorschläge von großen Einsparungen bei der Bürokratie aus, was die Finanzierung weiter absichern kann.

Argumente für das BürgergeldEs haben sich in den letzten Jahren viele Initiativen gegründet, die die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens fordern, wenn auch aus verschiedenen Gründen und in verschiedenen Ausgestaltungsformen. Einer der prominentesten Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens ist der Gründer der Drogeriekette dm Götz Werner, der im Jahr 2005 mit einer Anzeigenkampagne für das Grundeinkommen warb. Mit dem Bürgergeld könnte kein Bürger, oder zumindest eine wesentlich geringere Zahl, durch das soziale Netz fallen könnte.

Auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten lassen sich Argumente für die Einführung des Grundeinkommens finden, denn das deutsche Sozialversicherungssystem ist bislang an Arbeit gekoppelt, was in den letzten Jahrzehnten zu einer Dauerkrise der sozialen Sicherungssysteme geführt hat. Diese Krise würde mit der Einführung des Bürgergeldes beseitigt werden.

Folgt man der Argumentation der Befürworter, könnten die Bürger mit der Einführung des Bürgergeldes ihre Arbeit freier wählen, wobei Arbeit hier nicht allein mit Erwerbsarbeit gleichzusetzen ist. Vielmehr würde dann Vereins- und ehrenamtliche Tätigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich zunehmen.

Ein weiteres Argument für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ist, dass die Einführung eine Maßnahme gegen die Auswirkungen des demographischen Wandels und die anhaltende Veränderung zahlreicher Berufsfelder durch die Digitalisierung darstellen würde. Durch den Wegfall der gesetzlichen Rentenversicherung und eine solidarische Finanzierung der Krankenversicherung wäre das soziale Sicherungssystem viel resistenter gegen die Auswirkungen dieses Wandels.